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Tennental-Blog   28. Juni 2023

Agrarwende von unten

Regional und saisonal, ökologisch, sozial und fair – die solidarische Landwirtschaft bietet ein ganzes Bündel an Vorteilen für Erzeuger:innen und Verbraucher:innen. Auch das Tennental startet nun einen Solawi-Testballon, um der Gärtnerei und der Landwirtschaft einen möglichen Weg in die Zukunft zu ebnen.

„Die gemeinschaftsgetragene Landwirtschaft ist aktuell die Vermarktungsform, die es am ehesten ermöglicht, unter fairen Bedingungen eine qualitativ hochwertige, nachhaltige Arbeit als Gärtner:in und Landwirt:in zu machen“, so die Überzeugung des Tennentaler Gärtnermeisters Christian Engelhardt. Bereits vor rund fünf Jahren stand die Idee einer Solidarischen Landwirtschaft (Solawi) erstmals im Raum. Auch die Auszubildenden brachten immer wieder entsprechende Impulse mit ein, da sie dieses Konzept besonders überzeugend fanden. Als die Nachfrage nach dem Tennentaler Gemüse aufgrund der Energiekrise im vergangenen Jahr deutlich nachließ, erhielt die Solawi-Idee einen zusätzlichen Schub.

Denn Überproduktion und Lebensmittelverschwendung lassen sich mit diesem innovativen Modell vermeiden. Die realen Kosten, die im Betrieb entstehen, sind überdies gedeckt. „Wenn wir das Gemüse verkaufen, schreibt der Markt die Preise vor und durch die Solawi können wir die Abhängigkeiten vom freien Markt reduzieren“, erklärt Christian. Außerdem findet auch Gemüse mit einem kleinen Makel den Weg in den Kochtopf. Dies geschah, wie der Werkstattleiter betont, bereits in der Vergangenheit – über die Vermarktung als B-Ware oder die Verwertung in der Tennental-Küche. „Man kommt da aber an die Grenzen“, weiß der Gärtner. Von der Solawi verspricht er sich ein Wirtschaften, das auch dem inneren Gleichgewicht der Mitarbeitenden dienlicher ist, denn: „Für Gärtner:innen ist es unheimlich frustrierend, wenn man den ganzen Sommer angespannt bis gestresst viel arbeitet, um im Herbst die Lager zu füllen und das Gemüse dann letztendlich wegzuschmeißen, weil es den Marktkriterien nicht entspricht.“ Die neue Vermarktungsstrategie soll dafür sorgen, dass derart betrübliche Erfahrungen der Vergangenheit angehören.

Und so funktioniert die Solawi: „Das Prinzip ist, dass der Anbau von Lebensmitteln über die Monatsbeiträge der Ernteteilenden finanziert wird. Die verpflichten sich für ein Jahr und bekommen als Gegenleistung die Ernte. Die Ernte, das Risiko und die Kosten werden geteilt.“ Die Finanzierung des Betriebs ist so sichergestellt und die Ernte findet ihren Weg zu den Verbrauchern. „Diese“, erläutert der Gärtner, „haben den Vorteil, dass sie hochwertige, regionale, superfrische Demeter-Lebensmittel bekommen – in einer Qualität, die einmalig ist. Außerdem wissen sie, wer ihre Lebensmittel wie und wo anbaut.“

Momentan macht die Solawi nur einen kleinen Teil des Betriebs aus. 20 Ernteteilende konnte man bislang für die Idee der solidarischen Landwirtschaft begeistern, darunter langjährige Tennental-Kunden, aber auch Menschen, die Gemüse aus der Dorfgemeinschaft nun ganz neu für sich entdecken. Dass die Solawi wächst – das wünschen sich die Gärtner:innen. „Dieses Jahr haben wir eine Obergrenze bei 50 Ernteteilenden, denn in der Anbauplanung sind wir davon ausgegangen. Für das nächste Jahr aber ist alles offen“, erklärt Christian. In der derzeitigen Phase sind die Gärtner:innen mit dem Aufbau des neuen Modells beschäftigt. Sie erproben, wie es funktionieren und sich weiterentwickeln kann. Regelmäßig trifft man sich, um die nächsten Schritte zu planen.

Momentan machen sich alle Beteiligten Gedanken über verschiedene Angebote, etwa ein Sommerfest mit kleinem Programm im Juli. Der soziale Aspekt – auch er ist nämlich eine tragende Säule der Solawi. „Es gab ein Bedürfnis, Gemüse für Menschen anzubauen, mit denen es auch eine Begegnung gibt. Erzeuger:innen und Verbraucher:innen sollen zusammenkommen und wir wollen die Ernteteilenden an der Landwirtschaft teilhaben lassen“, erzählt Christian. Mitmachaktionen dürfen da nicht fehlen – sei es die gemeinsame Kürbis-, Kartoffel- oder Zwiebelernte. „Alle Aktionen“, betont der Gärtner, „sind freiwillige Angebote, keine Pflicht. Wir sind personell so aufgestellt, dass wir die Arbeiten auch allein schaffen können.“ Welche Gestalt die Solawi annehmen wird, hängt letztlich von den Interessen, Fragen und Bedarfen der Ernteteilenden ab: „Je nachdem, wofür sie sich interessieren, kann es in unterschiedliche Richtungen laufen.“

Und was dürfen sich die Teilnehmenden von der Ernte erwarten? „Derzeit ist es eine reine Gemüsekiste, die für sie wöchentlich bereitsteht“, informiert Christian. Darin findet sich eine große Vielfalt saisonaler Gemüsearten – von Asia-Salat und Möhre im Frühjahr über Zucchini und Tomate im Sommer bis hin zu Rotkohl und Kürbis im Winter. Geboten werden moderne Sorten, die lecker, nährend und unter gärtnerischen Gesichtspunkten sinnvoll anzubauen sind. Wer sich für ein gewisses Gemüse nicht erwärmen kann, darf dieses gern in die Tauschkiste an der Abholstation legen und sich dort etwas herausnehmen, das dem Gaumen mundet. „Das Ziel ist es, genau das anzubauen, was die Leute essen wollen“, informiert Christian. „Wir werden deshalb in Zukunft immer wieder abfragen, wie zufrieden die Leute mit der Kiste der Woche sind.“ Die Auswertung ziehen die Gärtner dann als Planungsgrundlage für das nächste Jahr heran.

„Ich fände es schön, wenn sich die Solawi dahin entwickelt, dass auch andere Bereiche des Tennentals mitziehen“, so die Hoffnung des Gärtnermeisters. Momentan ist es nur die Landwirtschaft, die sich beteiligt und Kartoffeln beisteuert. Denkbar sei, dass künftig auch Tennentaler Fleisch und Käse in die Kisten wandern. Wächst die Zahl der Ernteteilenden, dann könnten zum derzeit einzigen Abholort im Tennental noch weitere hinzukommen. „Wir wissen aber noch nicht, wie viel Bedarf es gibt.“ Das gilt es nun erst einmal herauszufinden. Bioläden und der Dorfladen müssen aufgrund des Solawi-Experiments übrigens nicht auf Tennentaler Gemüse verzichten, betont Christian: „Die versorgen wir weiterhin mit dem vollen Sortiment. Wir haben aber auch Großabnehmer und für die bauen wir weniger an.“